Menü
2016. 07. 21
In Erwartung von Ausschreibungen – ungarische Unternehmen in den Startlöchern
Ungarische Bauindustrie im Aufschwung. Die Auslastung des Bauwesens spiegelt in der Regel den momentanen Zustand der Wirtschaft gut wider.
In Erwartung von Ausschreibungen – ungarische Unternehmen in den Startlöchern

Ungarische Bauindustrie im Aufschwung. Die Auslastung des Bauwesens spiegelt in der Regel den momentanen Zustand der Wirtschaft gut wider. Auf den Reißbrettern ungarischer Planungsingenieure stapeln sich – zum Glück – schon die zukünftigen Projekte, die Arbeit läuft in großem Stil, Tag und Nacht, an 7 Tagen der Woche werden die Pläne angefertigt. Doch wie steht es um deren Ausführung?
Endet die Krise auch in anderen Bereichen der Bauindustrie? Was hinterließ sie? – Mit diesen Fragen bombardierten wir Gábor Grabarics, den Firmeneigentümer eines der führenden Unternehmen in der Bauindustrie, der Grabarics Építőipari Kft. Bereitwillig teilte uns Gábor Grabarics seine Gedanken und Erfahrungen mit.

Welche Prozesse prägen heute den Alltag der ungarischen Bauindustrie?


- Das I. Quartal dieses Jahres wurde – wie auch schon aus den Nachrichten zu erfahren war – mit einem niedrigeren BIP als das vorherige abgeschlossen. Wenn wir das aus dem Blickwinkel der Bauindustrie prüfen, müssen wir konstatieren, dass diese Periode – trotz der ermutigenden Erwartungen – weniger als angenommen brachte. Es scheint, dass alle schon in den Startpositionen stehen, dennoch alle Bereiche lassen auf sich warten: Die großen Infrastrukturinvestitionen und der Ausbau von Straßen und Bahnstrecken begannen nicht oder nur teilweise. Sowohl bei Schwertransporten als auch bei Arbeitsmaschinen sind freie Kapazitäten vorhanden. Glücklicherweise scheint sich die Lage mit dem Beginn des Sommers zu verbessern.

- Als Hauptgrund für den zögerlichen Beginn sehe ich, dass auf dem Markt die von der Regierung früher versprochenen, auf die 60-prozentige Wirtschaftsentwicklung gerichteten Unionsförderungen fehlen. Ich verstehe bis heute nicht und brachte das schon auf mehreren Foren zur Sprache, warum die Beschaffungs- und Standortentwicklungs-Ausschreibungen noch nicht bekannt gegeben wurden. Ein Anstieg des BIP ist ohne die Steigerung von Produktionskapazitäten nur schwer vorstellbar. Wenn die Unternehmen neue Sachanlagen und Fertigungsstraßen anschaffen können, dann müssen in der Regel auch ihre Hallen erweitert werden. Und der erstere Schritt ist imstande, die Produktion direkt zu steigern, während der letztere Arbeit für die Bauindustrie sichert und damit indirekt auch zu einer Bewegung des BIP in positiver Richtung beiträgt. Immer hört man: Wir sollten kein Geld für die Verschönerung von Ortschaften, für Springbrunnen ausgeben, sondern uns auf die goldene Eier legenden Hühner konzentrieren! Dennoch erschienen im ganzen vergangenen Jahr keine derartigen Ausschreibungen in spürbarem Volumen. Es gab zwar welche mit Innovationscharakter, doch solche, breiten Kreisen zugängliche Ausschreibungen, die sich an gut betriebene ungarische Unternehmen von mittlerer Größe zur Beschaffung von Arbeitsmitteln und zur Entwicklung von Standorten richteten, blieben bis heute Versprechen. Damit die Entwicklung der Industrie – und damit auch der Bauindustrie – beginnen kann, müssten derartige Ausschreibungen innerhalb kurzer Zeit in großer Menge auf dem Markt erscheinen.

- Die Lage ist so, dass die Akteure der Industrie nach der Krise geschwächt sind und ihre Reserven aufbrauchend dastehen, dass sie nicht in der Lage, Investitionen ohne Ausschreibungsmittel – obwohl sie das wollten – aus eigener Kraft zu realisieren. Die stärkeren Marktakteure, die über bessere Konditionen verfügen, wären in der Lage auch aus eigenen Ressourcen zu investieren, doch sie denken, dass es heute einen Wettbewerbsnachteil bedeutet, mit eigenen Mitteln zu investieren, es ist nämlich nicht gleich, wer 35-50 % eines Projekts finanziert.

- Die meisten der Unternehmen stehen demnach in den Startlöchern und können kaum erwarten, dass sie Investitionen tätigen und die damit verbundenen Bauvorhaben beginnen können, um damit ihre Kapazität, ihr Produktionsvolumen und ihren Gewinn zu steigern.

- Ich vertraue darauf, dass die Regierung dieses Phänomen schon erkannt hat und darauf sehr rasch reagieren wird. Das Bauwesen könnte ein starkes, in hohem Ausmaß auf privates Kapital bauendes und dadurch gesundes Segment sein. Mit der Einbeziehung von Unionsfördermitteln übernehmen Banken die Partnerschaft in Projekten auch eher, was für viele die Eigenmittel sichern könnte. Es ist demnach einfach unverständlich, worauf wir warten.

Der große Boom nach der Krise lässt also demnach noch auf sich warten? Wie entwickelt sich der Umsatz gemessen am Tiefpunkt?


- Schon im vergangenen Jahr hatten wir spürbar mehr Arbeit als zuvor, in diesem Jahr stieg sie weiter an. Es gelang uns schon, das Doppelte des Niveaus während der Krise zu erreichen und langsam nähern wir uns dem Ergebnis unserer früheren besten Jahre. Aufgrund des Bedarfs des Marktes sehen wir die Möglichkeit zu Wachstum, doch hier sehen wir das Fehlen von Fachkräften als Störfaktor. Das wird weiter verschärft, dass ein Teil unserer während der Krise geschwächten Kapazitäten noch nicht wieder erstarken konnte. Es gibt beispielsweise nicht genügend Turmdrehkräne im Land. Die Kraneigner verloren während der schweren Jahre ihre neuen geleasten Arbeitsmittel. Die Höhe des Bedarfs dafür stieg in letzter Zeit sprunghaft an, die Kräne sind jedoch nicht so rasch zu ersetzen, deshalb ist die Nachfrage groß und die geringe Kapazität führt zu hohen Preisen. Doch ich könnte noch ein anderes Beispiel nennen: Hier in Ungarn gibt es nicht genügend Fliesenleger, Fachkräfte für die Baukonstruktion, die meisten von ihnen arbeiten in Westeuropa und sind noch nicht zurückgekehrt.

Wohin führt das alles? Welche Möglichkeiten gibt es für das Bauwesen, die entsprechende Anzahl qualifizierter Arbeitskräfte sicherzustellen?


- Einen wirklichen Aufschwung in der Bauindustrie ohne große Massen von billigen – doch mindestens wettbewerbsfähigen – Arbeitskräften gab es noch nie und nirgends auf der Welt. Deutschland „importierte“ nach der Vereinigung die Fachkräfte aus Osteuropa, Dubai macht dasselbe aus der indischen, pakistanischen und asiatischen Region. China konnte innerhalb seiner eigenen Grenzen aus weniger entwickelten Gebieten die Arbeitnehmer in die wirtschaftlich stärkeren Zentren ziehen. Wenn wir an Olympia denken, ein Atomkraftwerk bauen wollen, müssen wir auch für die dazu nötigen Arbeitskräfte sorgen. Es ist gut sichtbar, dass es innerhalb Europas keine ausreichende Kapazität gibt. Für dieses Problem ist jedoch die gegenwärtig ablaufende massenweise Migration keine Lösung. Ich sehe darin nicht die Basis von gut ausgebildeten oder zumindest auszubildenden, fleißigen Fachkräften. Wir müssen uns ähnlich wie Dubai in Richtung von Indien, Asien öffnen und statt der Ansiedlung die bewährte Methode, den Einsatz von Gastarbeitern, wählen. In Dubai wurden demontierbare Containerstädte errichtet, die unter anspruchsvollen, in jedem Fall jedoch unter menschenwürdigen Umständen als vorübergehende Wohnungen für die auf den Baustellen tätigen Arbeitskräfte verfügbar waren. Nach der Beendigung der Arbeit konnte jeder mit vollen Taschen wieder nach Hause gehen und die Unterkünfte wurden einfach abgerissen. Mit der entsprechenden Kontrolle sind demnach diese Probleme zu lösen, auch wenn das jetzt für unsere Ohren noch fremd klingt. Einen solchen Übergang kann auch die Periode überbrücken, bis die Ergebnisse unserer jetzt gestarteten Bevölkerungspolitik in Erscheinung treten und die positiven Auswirkungen hinsichtlich der Bevölkerungszahl, der gestiegenen qualifizierten Arbeitskräfte spürbar werden.